Der Markt ist gesättigt. Vor allem im digitalen Kontext fällt es Unternehmen zunehmend schwerer, aus der Masse herauszustechen. „Baut Beziehungen zu euren Kunden auf!”, sagen Experten. Leichter gesagt, als getan – seine Marke im Umfeld von Display Ads, Social Media und Co. vernünftig unter das Volk zu bringen, ist stellenweise komplizierter als die DSGVO. Ein Ausweg könnte folgender Gedanke sein: Weg von der Werbung und hin zu Service – also Inhalten mit echtem Mehrwert für die User.
Durch die Vielfalt und Homogenisierung der Marken verändert sich der Markt. Es besteht eine hohe Marktsättigung und eine hohe Austauschbarkeit der Marken. Deswegen ist es umso wichtiger, dass Marken einen emotionalen Zusatznutzen anbieten, um eine dauerhafte Beziehung zu den Kunden aufzubauen. Werbung hatte in einem gewissen Rahmen immer das Ziel zu emotionalisieren – dies allerdings immer sehr produktbezogen, was der heutigen Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten nicht mehr gerecht wird. Daraus ergibt sich ein Wandel vom Produkt- zum Kommunikationswettbewerb. Das steigende Informationsangebot geht jedoch mit einer begrenzten Aufnahmefähigkeit der User, dem Phänomen der Informationsüberlastung, einher. Daraus entstehen in der individuellen Wahrnehmung des Markenkommunikationsangebotes zwei zentrale Veränderungen bei Kund:innen – die reduzierte Konzentrationsfähigkeit und die oberflächliche Informationsverarbeitung.
Diese Entwicklung ist messbar
Empirische Studien belegen eine Informationsüberlastung durch Werbung von über 95 Prozent, d. h. weniger als 5 Prozent der gebotenen Informationen werden von den Nachfrager:innen aufgenommen (Kroeber-Riel/Esch, 2015, aktualisierte und überarbeitete Auflage). Hinzu kommt, dass für den User immer eine Vielzahl an alternativen Informationsquellen und Entertainmentoptionen verfügbar sind. Das führt zu einer sehr kurzen Aufmerksamkeitsspanne und einer hohen Sprunghaftigkeit. Dieser Trend der Informationsüberlastung zeigt sich auch in der Investitionsentwicklung für Content Marketing in DACH. Das Investitionsvolumen ist laut Statista von 4,4 Milliarden Euro in 2010 auf 9,4 Milliarden Euro in 2020 gestiegen. Die Verdopplung des Investitionsvolumens zeigt also nicht nur die stetig wachsende Menge an Content auf, sondern auch die Relevanz der digitalen Kommunikationskanäle.
Aus der Masse herausstechen
Was also bringt einen User dazu, eine Beziehung zu einer Marke aufzubauen? Dafür ist es zunächst interessant, die Erwartungshaltung der Nutzer:innen zu kennen. In einer Studie von fischerAppelt aus dem Jahr 2016 zum Medien- und Bewegtbildkonsum im Internet konnte belegt werden, dass die Hauptgründe für Videokonsum Entertainment (75 %) und der Wunsch nach Erklärung und Anleitung (65 %) sind. Zudem wurde nach der Erwartungshaltung gegenüber den Inhalten von Marken gefragt: Nach aktuellen Neuigkeiten (75 %) folgen hier Tipps und Ratschläge (62 %) sowie Service und Beratungsangebote (50 %). Daraus lässt sich das eindeutige Bedürfnis nach einem relevanten Mehrwert ableiten. Aber nicht nur der Nutzen ist entscheidend, auch der Wertekanon einer Marke ist ein wichtiges Argument für eine nachhaltige Beziehung, da emotionale Faktoren ebenso ausschlaggebend für diese Bereitschaft sind.
Wie lässt sich diese Erkenntnis nun in die Praxis überführen? Indem Sie sich die richtigen Fragen stellen, um zunächst die wichtigsten Grundfaktoren zu klären: wen spreche ich an (Zielgruppe), was sind die Interessen meiner Zielgruppe, welche Grundwerte vertritt sie, was ist der Mehrwert meiner Kommunikation für den User und wo erreiche ich ihn. Und das in stark verdichteter Form.
Leitplanken für den Selbsttest
Praktisch orientierte Fragestellungen, um geplante kommunikative Maßnahmen entsprechend zu überprüfen, sind:
Hilft die geplante Maßnahme dabei, Zeit zu sparen? Die unmittelbare Verfügbarkeit von Informationen ist die Spezialität des Internets. Als Unternehmen sollte ich daher unmittelbar praktische Informationen für meine (potenziellen) Kund:innen bereitstellen. Ein Beispiel ist eine Marke mit einem sehr beratungsintensiven Produkt. Habe ich als Konsument:in die Wahl zwischen einem Fachgeschäft, um mich vor Ort ausführlich beraten zu lassen und einer Online-Beratung in Form von beispielsweise interaktiven Videos, entscheide ich mich tendenziell für die Online-Lösung. Und das vor allem wegen des Komforts und der Zeitersparnis. Eine gut sortierte Tutorialsammlung eines Baumarktes z. B. spart ebenfalls Zeit umfangreicher Recherchen, da User dort passende Filme zu ihrem Problem – optimalerweise mit den Produkten, die zur Verfügung stehen – finden.
Hilft die geplante Maßnahme dabei, den Informations-Overload zu reduzieren? Gerade bei komplexeren Produkten ist das Bedürfnis nach Informationen groß. Bietet eine Marke gezielte, leicht zu konsumierende Informationen an, die bereits sortiert und im besten Fall nach Relevanz gefiltert sind, müssen deutlich weniger alternative Informationsquellen konsumiert werden und der User befindet sich direkt im Markenumfeld. Durch die Kompetenz der Marke im jeweiligen Bereich, erhöhen gerade selbstkritische Fachinformationen die Glaubwürdigkeit und schaffen Vertrauen. So kann auf unterschiedlichen Wegen Entscheidungshilfen angeboten werden.
Hilft die geplante Maßnahme dabei, zu emotionalisieren und eine Identifikationsfläche zu schaffen? Die Entstehung einer Beziehung zwischen Menschen unterliegt ähnlichen Kriterien wie der Beziehungsfindung zwischen Menschen und Marken. Denn hier zählen nicht nur harte Fakten, sondern auch Emotionen und Werte. Kommuniziert eine Marke einen Wertekanon, mit dem User sich identifizieren können, entsteht Sympathie und automatisch eine gewisse Verbundenheit. Emotionalisierung entsteht also nicht nur durch Geschichten, sondern durch Ehrlichkeit, Integrität, Gegenseitigkeit und das Gefühl, verstanden worden zu sein. Werden diese Faktoren in der Kommunikation berücksichtigt, bildet sich Vertrauen.
Hilft die geplante Maßnahme dabei, eine Hilfestellung für ein Problem zu liefern? Bietet eine Marke wiederholt Unterstützung bei alltäglichen Problemen (Tutorials), oder inspiriert mit Tipps (Rezepten), entwickeln User automatisch eine positive Wahrnehmung der Marke und die Interaktion mit dieser wird erhöht. Hilfestellungen können aber auch in einem ganz direkten Austausch stattfinden, z. B. über soziale Kanäle. Sind die sozialen Kanäle einer Marke kompetent, ehrlich und im gewissen Rahmen handlungsbefugt moderiert, bietet dies einen direkten Mehrwert. So brauchen User nicht mehr in der Servicehotline anrufen und fühlen sich in ‚ihrer Welt’ direkt abgeholt.
Hilft die geplante Maßnahme dabei, zu unterhalten? Grundsätzlich möchten Nutzer:innen Spaß haben und unterhalten werden. Sind sie gut unterhalten, werden sie auch sehr viel aufgeschlossener sein und sich tiefgehender mit dem Absender auseinandersetzen. Marken, die einzigartigen Entertainment bietet, (besonderes Konzert, eine eigene Webserie o. ä.) schaffen eine Bindung. Grundsätzlich gehen Menschen gerne eine Beziehung mit Marken ein, wenn diese ihren Alltag bereichern.
Fazit
Klassische Kampagnen und TV-Spots haben nach wie vor ihre Berechtigung. Die Kanäle zur Kundeninteraktion haben sich lediglich vervielfacht und müssen strategisch voneinander unabhängig betrachtet werden. Es ist also für eine Marke unerlässlich, Inhalte relevant zu gestalten und einen echten Mehrwert anzubieten. Außerdem ist eine Kontinuität der Inhalte wichtig. Dabei geht es allerdings nicht um Masse – nicht die Menge der Interaktion ist entscheidend, sondern der Kontext. Sprich: Wo und wann erreiche ich meine Kund:innen? Was erwarten und was benötigen sie? Denn aus diesem Kontext entsteht Relevanz, und aus Relevanz ein Mehrwert.
Und wenn das gut gelingt, warum nicht diesen Mehrwert als Werbebotschaft nutzen ...