Laut Statista wird für dieses Jahr erwartet, dass Bewegtbild 84 Prozent des weltweiten Internet Traffics ausmachen wird. O.K., das ist ist wirklich viel. Aber es macht Sinn, vor allem wenn allein schon bei YouTube pro Minute 400 Stunden Video hochgeladen werden. Und es gibt noch sehr viel mehr Zahlen, die belegen, dass Bewegtbild, das am stärksten konsumierte Medium in den digitalen Sphären ist. Und wenn ich mir mein eigenes Nutzerverhalten anschaue, dann muss ich dem zustimmen. Abgesehen von Nachrichten, Fachartikeln und Memes konsumiere ich bewegte Bilder. Durch die schiere Flut an Optionen bin ich allerdings auch sehr wählerisch – viele Videos klicke ich weg und nur verhältnismäßig wenige erregen meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Dabei habe ich festgestellt, dass meistens nicht die Qualität im Sinne des Production Values entscheidend ist, ob ich ein Video ansehe oder wegklicke. Es ist vielmehr eine Kombination verschiedener Merkmale, die innerhalb weniger Sekunden entscheiden, ob ich dran bleibe oder eben nicht.

Eigentlich soll man ja nicht von sich auf andere schließen, in diesem Fall allerdings habe ich festgestellt, dass erfolgreicher Online Content sich bestimmte Merkmale teilt. Im Folgenden will ich diese Merkmale beleuchten und zu konzeptionellen Leitplanken verdichten.



Erkenntnis 1: Interaktion

Das Internet ist ein sehr interaktiver Ort, es lebt durch Interaktionen. Es ist also kaum überraschend, dass ein wichtiger Analyse-Faktor zur Erfolgsmessung von Inhalten das Engagement (der Interaktionsgrad) ist. Aber welche Faktoren lassen uns mit Inhalten interagieren?

Der Dialog. Wir wollen in einen Dialog mit unseren Nutzer:innen kommen. Entsprechend sollte unsere Kommunikation auch zu einem Dialog anregen. Der Dialog muss allerdings nicht zwingend digital bleiben, denn wenn der Inhalt überzeugt, erzählt der User seinem Umfeld davon und transferiert so den Inhalt von der digitalen in die reale Welt. Auch der direkte Dialog zwischen User und Unternehmen, der auf der Website und den sozialen Plattformen stattfindet, ist ein wichtiges Element. Denn hier kann das Unternehmen zwischenmenschlich interagieren und sich greifbarer und menschlicher machen.

Die Aktion. Guter Content fordert meistens zu einer Aktion auf. Und damit meine ich nicht zwingend den Klick auf einen Button. Zum Beispiel sollte Content zum nach- oder mitmachen animieren, zum darüber reden oder teilen anregen. Es gibt so viele Möglichkeiten der Interaktion, wie die Kreativität zulässt. Eine Aktion kann aber auch proaktiv vom User ausgehen, zum Beispiel über Kommentare oder Nachrichten. Da ist es wichtig, entsprechend zu reagieren.

Die Reaktion. Wenn der User proaktiv mit uns interagiert, dann ist das eine Gelegenheit, die genutzt werden sollte. Je schneller wir auf den User reagieren, desto mehr fördern wir den Aufbau einer Beziehung. Besonders wichtig ist hier ein feinfühliger Umgang mit Beschwerden, Reklamationen oder Kritik – gerade wenn diese öffentlich geäußert werden. Natürlich ist es aufwändig, hohe Reaktionszeiten zu etablieren. Deswegen ist es bis zu einem gewissen Grad legitim, KI und Automatismen einzusetzen. Ganz wichtig ist hier die Wahrung der Authentizität.

Die Kontinuität. Das Content-Kommunikation Regelmäßigkeit erfordert, ist mittlerweile allgemein bekannt. Es geht dabei aber nicht nur um die Frequenz der Postings, es sollte auch einen Rhythmus für den Typ der Inhalte geben. Wenn wir zum Beispiel vier Postings die Woche planen, sollten diese aufeinander aufbauen. Ein anderes Beispiel wäre serieller Content, wo jede Folge zur selben Zeit am selben Tag gepostet wird. Ultimativ führt das zu mehr Aufmerksamkeit und Interaktion. Denn Menschen reagieren auf Muster und diese lassen Neugierde entstehen.


Erkenntnis 2: Relevanz

Die offensichtliche Erkenntnis ist, dass ich mir ein Content Piece ansehe, wenn es für mich relevant ist. Klingt zunächst banal, aber welche Faktoren machen denn etwas wirklich relevant?

Natürlich der Inhalt. Wenn ich auf der Suche nach dem neuesten Katzen-Meme bin, sind die Vorteile eines neuen Rasierapparates eher irrelevant. Und wenn ich ein Heavy Metal Fan bin, dann werde ich das neueste Musikvideo von Helene Fischer gar nicht schnell genug wegklicken wollen. Trifft der Inhalt aber auf ein Bedürfnis, z. B. nach Unterhaltung, Informationen oder nach einer Problemlösung, entsteht automatisch Relevanz. Nur wie kann ich wissen, was das Bedürfnis meiner avisierten Userschaft ist? Durch die Analyse von und die Fokussierung auf eine Zielgruppe. Dabei lernt man nicht nur über die Interessen und das Verhalten, der für mich interessanten Usern, sondern auch, wo man sie antrifft.

Das Umfeld. Wo wir dem User unser Video anbieten, ist ein wichtiger Faktor. Denn das Umfeld, in dem sich der User zu dem Zeitpunkt der Ansprache befindet, setzt den Kontext. In der Psychologie nennt man diesen Effekt „Priming”, also die kognitive (unterbewusste) Beeinflussung von Reizen. Oder anders formuliert: Wenn ich im Shopping-Modus auf Amazon unterwegs bin, dann bin viel ich empfänglicher für ein Produktvideo, als wenn ich eigentlich ein Tutorial auf YouTube suche. Auch die eigene Website sollte übrigens einen Priming-Effekt auf den Besucher haben.

Die Uhrzeit. In einem Anflug von Selbstreflektion scheint mir außerdem die Tageszeit ein wichtiger Faktor für Relevanz zu sein. Denn morgens beim Kaffee, treiben mich ganz andere Dinge um als am Nachmittag oder Abend. Hier gilt es also wieder, mit einem Blick auf die Zahlen und Statistiken das Nutzerverhalten zu analysieren und die beste Uhrzeit für den Push der Inhalte zu evaluieren.



Erkenntnis 3: Authentizität

Selbst, wenn mich ein Video zur richtigen Zeit am richtigen Ort und mit relevantem Inhalt erreicht, ist das noch kein Garant für meine Aufmerksamkeit. Ein weiterer entscheidender Faktor ist nämlich die Glaubwürdigkeit. Und zwar sowohl die des Inhaltes, aber auch des Absenders. Nichts wirkt abschreckender als generische Allgemeinplätze. Natürlich ist es sehr individuell, wie eine Marke oder ein Unternehmen sich authentisch inszenieren kann Zudem erfordert es abteilungsübergreifendes Teamwork, eine entsprechende Strategie zu definieren. Folgende Faktoren sollten dabei unbedingt bedacht werden:

Sei persönlich. Der persönliche Dialog mit dem Kunden macht den Absender nahbar. Reagiere auf deine User und kommuniziere mit ihnen. Gehe auf deine User ein. Natürlich geht nichts über eine:n menschliche:n Moderator:in, aber es gibt mittlerweile auch technische Lösungen, die bis zu einem gewissen Grad die persönliche Kommunikation ergänzen können.

Sei emotional. Emotionalität ist menschlich, entsprechend bietet eine zunächst abstrakte Marke oder ein Unternehmen durch Emotionen eine Identifikationsfläche. Und das Mittel der Wahl für das Vermitteln von Emotionen ist gutes Storytelling. Geschichten sind also wichtiger als Produktfeatures. Auch die eigenen Werte zu kommunizieren schafft Bindung und Identifikation.

Sei ehrlich und selbstkritisch. Dieser Punkt dürfte vielen am Anfang schwer fallen, schließlich ist die ureigene Intention immer, sich im besten Licht darzustellen. Geht man allerdings kritisch und konstruktiv mit Fehlern um und geht auf Kundenfeedback ein, sorgt das automatisch für eine hohe Glaubwürdigkeit. Ein gewisses Maß an Selbstironie kann ebenfalls helfen, unglaubwürdige Makellosigkeit zu konterkarieren.

Sei uneigennützig. Es gibt eine Regel im Content Marketing: give, give, give, ask. Diese Regel impliziert, dass man in eine Beziehung investieren muss, indem man zunächst etwas gibt. Zum Beispiel hilfreiche Informationen, Unterhaltung oder was auch immer im Kontext relevant ist. Das Geben bildet Vertrauen, und mit Vertrauen ist der User geneigter, auch etwas für dich zu tun. Zum Beispiel zu klicken, zu teilen, Feedback zu geben oder sogar ein Produkt zu kaufen. Das bedeutet also, dass dem User ein echter Mehrwert geboten werden sollte.

An dieser Stelle ein kleiner Exkurs: Vor allem Marken arbeiten gerne mit Testimonials und Influencern. Trotz der hohen Reichweite der meist sehr bekannten Markenvertretern ist allerdings die Werbewirkung eher mittelmäßig. Und das ist eine Chance, denn es gibt sehr viele Micro-Influencer (ca. 1000-100.000 Follower), die zwar eine deutlich geringere Reichweite haben, dafür aber durch eine eingeschworene Followerschaft und einen Expertenstatus ein extrem hohes Engagement vorweisen können.



Diese drei Kernfaktoren lassen sich bombastisch (pun intended) in ein Akronym zusammenfassen: das IRA Prinzip. (Interaktiv-Relevant-Authentisch)

Wenn ich also über Inhalte nachdenke, sollte ich meine Ideen immer mit dem IRA Prinzip abgleichen und sicherstellen, dass meine geplanten Inhalte auf die Faktoren Relevanz, Authentizität und Interaktion einzahlen.